Der Störenfried in der Kita – Wenn ein Kind die Gruppe tyrannisiert
Meine Tochter sitzt abends am Tisch und erzählt mir zwischen 2 Bissen in ihr Brot, dass ihr heute wieder der Junge auf die Nase geboxt hat. Morgens verabschiedet sie sich mit den Worten, dass sie Angst davon wieder gejagt und beschimpft zu werden. Die Situation ist schwierig. Für alle Seiten.
Mein Kind hat Angst
Was ich sehe? Mein 5-jähriges Kind hat Angst in der Kita körperlich angegangen und mit den krassesten Schimpfwörtern belegt zu werden.
Wie ich reagiere? Auf 2 Arten. Vor ihr: Versuche ich ruhig zu bleiben, die Situation genau zu hinterfragen. Was ist passiert? Wie ist es passiert? Was ging dem Ganzen voraus? Meine Tochter kann mit ihren 5 Jahren bereits sehr gut mit Sprache umgehen und drückt sich sehr präzise aus, wenn es um Schilderungen von Erlebnissen geht. Ich frage nach ihren Gefühlen, aber auch nach denen des Jungen. War er vielleicht traurig? Was glaubst du hat ihn so wütend gemacht?
Wir reden viel über Gefühle in den letzten Wochen. Mir ist aufgefallen, dass sie viele Schimpfworte benutzt und uns beleidigt. Meistens weiß sie gar nicht was diese Worte bedeuten und plappert sie einfach nur nach, weil sie sie aufgeschnappt hat. Ich reagiere gelassen, sage ihr aber dennoch stetig, dass ich solche Worte nicht schön finde und dass mich manche davon auch verletzen und mir kein gutes Gefühl „innen drin“ geben. Das war nämlich ihre Beschreibung, wenn sie beleidigt wird. „Mama, ich möchte das nicht hören. Das tut mir weh innen drin.“
Wie ich reagiere, wenn sie nicht dabei ist? Ich bin natürlich sauer und frustriert, denn wer möchte zum einen, dass sein Kind geschlagen, gejagt etc. wird und zum anderen Angst hat in die Kita zu gehen, in die sie bisher sehr gerne gegangen ist? Ich möchte das nicht!
Ich kenne die Mama des Jungen ein bisschen und weiß, dass sie es nicht leicht hat. Ich habe ihr bei vielen Dingen bereits Unterstützung angeboten und auch die Kita ist im stetigen Gespräch mit ihr.
Was macht die Kita? Wie reagieren die Erzieherinnen?
Die Erzieherinnen und Erzieher unserer Kita leben den bedürfnisorientierten Ansatz. Sie sind mitfühlend, auf Augenhöhe und sehr liebevoll. Sie begleiten jeden Frust und Streit so lange bis er ausgestanden ist. Kurzum, sie sind einfach toll und ich schätze jeden einzelnen Mitarbeiter sehr. Mittlerweile ist es jedoch so, dass sich die Mitarbeiter eingestehen müssen, emotional und körperlich schon manchmal am Vormittag „leer“ zu sein. Jede Mutter kennt das. Muss man bis zum Mittagessen schon 5 Auseinandersetzungen/ Frustrationen etc. begleiten, ist das einfach furchtbar anstrengend. Und in der Kita sind aber auch noch 20 andere Kinder mit Bedürfnissen, die es zu befriedigen gilt.
Zur Zeit wird halt dem zugehört, der am lautesten schreit, am dollsten schlägst oder die schlimmsten Schimpfworte benutzt. Alle anderen fallen meist hinten runter und das obwohl der Betreuungsschlüssel bei uns sehr gut ist.
Die Kleinen schauen sich nach Wochen dieses Verhalten ab, nehmen es mit heim, weil es ja scheinbar normal geworden ist und zum Kitaalltag dazu gehört.
Was ist die Lösung? Für alle!
Wir haben die Situation auf einem Elternabend intensiv besprochen und wir alle waren uns einig, das Ausgrenzung oder Isolation des Kindes die ganze Situation nur noch schlimmer machen würde. Der Junge merkt ja, dass keiner mehr mit ihm spielen will und das macht ihn traurig. Aus dieser Trauer wird schnell Wut auf andere Kinder und daraus aggressives Verhalten, das in Schlägen und Tritten gipfelt. Daraufhin will natürlich wieder keiner mit ihm spielen und er wird wieder traurig, Kinder wehren sich ebenfalls körperlich und es wird immer schlimmer.
Wie kommt man aber aus diesem Teufelskreis heraus?
Natürlich wird zuerst immer ganz viel geredet und erklärt. Mit dem Kind, mit den Eltern. Es wird seit einiger Zeit auch anhand von Büchern das Thema Gefühle, Emotionen, Wut etc. besprochen und dann auch in den jeweiligen Konfliktsituationen aufgegriffen. Dies klappt manchmal sehr gut, sodass sich die Kinder an die Geschichten im Buch erinnern und sich etwas besser reflektieren, aber auch in das andere Kind hineinversetzen können.
Ein wichtiger Punkt ist jedoch die Arbeit mit den Eltern des Kindes. Denn wenn diese nicht an einer Veränderung interessiert sind, kann die Kita noch die beste Arbeit leisten, sie wird nicht nachhaltig helfen.
Eine konkrete Lösung gibt es zur Zeit nicht, kann es die überhaupt geben? Wir wissen jedoch alle, dass solche Veränderungen Zeit, Geduld und Liebe brauchen und keine Ausgrenzung und kein „dann wehr dich doch mal und hau zurück!“.
Wie seht ihr das? Habt ihr einen Rat für mich? Ich bin für jede Hilfe dankbar.
Alles Liebe,
eure Caro